Die umfassende Renovierung einer Immobilie ist zuweilen nur möglich, wenn die Mieter zuvor ausgezogen sind. Sofern den Mietern für den – vorzeitigen – Auszug Abfindungen gezahlt werden, ist in steuerlicher Hinsicht die Frage zu beantworten, ob die Entschädigungen sofort abziehbar sind oder ob sie zu Herstellungskosten führen und nur im Wege der Absetzung für Abnutzung (AfA) zu berücksichtigen sind. Im November 2021 hatte das Finanzgericht Münster entschieden, dass an Mieter gezahlte Abfindungen für die vorzeitige Räumung der Wohnungen zum Zweck der Durchführung von Renovierungsmaßnahmen zu anschaffungsnahen Herstellungskosten führen können. Sie wären danach nur per AfA abziehbar (Urteil vom 12.11.2021, 4 K 1941/20 F). Doch der Bundesfinanzhof hat der hiergegen gerichteten Revision entsprochen und einem Sofortabzug der Kosten zugestimmt.
Der Sachverhalt: Ein Vermieter erwarb im Jahr 2016 eine denkmalgeschützte Immobilie mit vier Wohnungen für
1,2 Mio. Euro, die er in den folgenden zwei Jahren für 615.000 Euro renovierte. Vom Kaufpreis entfielen rund
836.000 Euro auf das Gebäude. Um die Mieter zum vorzeitigen Auszug zu bewegen und die Renovierungsarbeiten dadurch einfacher zu gestalten, zahlte der Vermieter Mieterabfindungen von insgesamt 35.000 Euro. Diesen Betrag machte er als sofort abzugsfähige Werbungskosten geltend. Das Finanzamt behandelte die Abfindungen dagegen als anschaffungsnahe Herstellungskosten und versagte den sofortigen Abzug. Die hiergegen gerichtete Klage blieb zunächst ohne Erfolg. Begründung: Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen (netto) 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Die Mieterabfindungen seien als solche anschaffungsnahen Herstellungskosten zu behandeln.
Der Bundesfinanzhof hingegen hat entschieden, dass eine Abfindung, die der Eigentümer für die vorzeitige Kündigung des Mietvertrags und die Räumung der Wohnung an seinen Mieter zahlt, um das Gebäude für Vermietungszwecke umfangreich renovieren zu können, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sofort absetzbar ist. Sie gehört nicht zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG, die sich lediglich im Wege der Abschreibung steuermindernd auswirken (BFH-Urteil vom 20.9.2022, IX R 29/21).
Zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten rechnen nur bauliche Maßnahmen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. Nicht dazu gehören ausdrücklich Aufwendungen für Erweiterungen sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen. Sonstige Aufwendungen, die durch die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen lediglich (mit-)veranlasst sind, gehören ebenfalls nicht dazu. Dies betrifft beispielsweise Mieterabfindungen.
Praxistipp:
Im Urteilsfall ging es unzweifelhaft um eine – fortgesetzte – Vermietungstätigkeit. Anders wäre der Fall zu beurteilen gewesen, wenn eine Eigennutzung oder ein Verkauf geplant wären. Wäre die Abfindung im Übrigen geleistet worden, um auf dem Grundstück ein neues Gebäude zu errichten, würde die Zahlung zu den Herstellungskosten des Gebäudes gehören, die wiederum nur im Wege der AfA berücksichtigt würden.