Wird eine Direktversicherung in einer Summe ausgezahlt, ist die Kapitalabfindung bei den sonstigen Einkünften in voller Höhe zu versteuern, falls die Beiträge bei Einzahlung steuerfrei waren (§ 22 Nr. 5 EStG). Es kommt nicht einmal die so genannte Fünftel-Regelung zum Tragen, die wenigstens zu einer geringen Minderung des Steuersatzes führen würde – zumindest gilt dies, wenn bereits in der ursprünglichen Versorgungsregelung ein Kapitalwahlrecht enthalten ist. Bereits im Jahre 2021 hat das Finanzgericht Münster die volle Besteuerung der Einmalzahlung aus einer Direktversicherung als verfassungsgemäß angesehen (Gerichtsbescheid vom 29.10.2020, 15 K 1271/16 E). Kürzlich hat das Finanzgericht Münster seine Rechtsprechung bestätigt: Bei der Auszahlung einer Direktversicherung im Wege der Kapitalabfindung kommt die Anwendung der Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG („Fünftel-Regelung“) nicht in Betracht. Das gilt jedenfalls bei vorheriger Vereinbarung eines Kapitalwahlrechts. Damit sind Kapitalabfindungen in voller Höhe ohne jegliche Ermäßigung zu versteuern (FG Münster, Urteil vom 24.10.2023, 1 K 1990/22 E). Die Klägerin hatte mit ihrem damaligen Arbeitgeber im Jahr 2005 die Umwandlung eines Teils ihres Gehalts in Beiträge zu einer Direktversicherung nach dem BetrAVG vereinbart. Die Gehaltsumwandlung sollte nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei sein. Der Arbeitgeber schloss daraufhin für die Klägerin eine solche Versicherung mit einer Beitragszahlungsdauer von
14 Jahren ab. Danach sollte an die Klägerin eine lebenslängliche monatliche Rente gezahlt werden oder auf Antrag eine einmalige Kapitalabfindung erfolgen. Im Streitjahr 2019 übte die Klägerin das Kapitalwahlrecht aus und erhielt ca. 44.500 Euro ausbezahlt. Diesen Betrag behandelte das Finanzamt als steuerpflichtige Rente nach § 22 Nr. 5 EStG und besteuerte ihn mit dem regulären Steuersatz. Die Klägerin beantragte dagegen die Anwendung der Fünftel-Regelung, da der Gesetzeswortlaut von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG erfüllt sei. Die Kapitalabfindung sei in einer Summe ausbezahlt worden, so dass die erforderliche Zusammenballung von Einkünften in einem Veranlagungszeitraum vorgelegen habe. Die Klage wurde jedoch abgewiesen. Die Kapitalauszahlung sei nicht ermäßigt zu besteuern.
Zur Anwendung der Fünftel-Regelung bedürfe es neben einer Zusammenballung von Einkünften auch einer „Außerordentlichkeit“, an der es im Streitfall fehle. Eine Kapitalauszahlung sei nur dann außerordentlich, wenn das Kapitalwahlrecht lediglich in atypischen Einzelfällen ausgeübt wird. Dafür bedürfe es nach Ansicht des Bundesfinanzhofs aber statistischen Materials von Organisationen und Verbänden der Anbieter (BFH-Urteile vom 11.6.2019, X R 7/18 und vom 6.5.2020, X R 24/19). Dieses liege jedoch nicht vor. So sei ein vom FG Köln unternommener Versuch, derartiges statistisches Material zu erhalten, unergiebig geblieben, da die angefragten Organisationen keine entsprechenden Statistiken geführt hätten (Urteil vom 30.9.2021, Az. 15 K 855/18). Folge: Da Klägerin die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer ermäßigten Besteuerung trage und sie die Außerordentlichkeit von Kapitalabfindungen nicht nachweisen könne, komme eine Tarifmäßigung nicht in Betracht (Quelle: FG Münster, Newsletter Nov. 2023).
Praxistipp:
Es wurde die Revision zugelassen. Ob diese tatsächlich eingelegt worden ist, war bei Redaktionsschluss leider noch nicht bekannt. Von dem obigen Sachverhalt zu unterscheiden sind übrigens die Fälle, in denen Verträge vor 2005 abgeschlossen und die Beiträge aus (pauschal) versteuertem Arbeitslohn erbracht worden sind. Hier bleiben Kapitalauszahlungen unter bestimmten Voraussetzungen (u.a. Vertragslaufzeit von mind. zwölf Jahren) steuerfrei. Doch Vorsicht: Auf den ersten Blick ist oft kaum erkennbar, inwieweit die Beiträge tatsächlich aus versteuertem Einkommen erbracht worden sind. Bitte informieren Sie uns daher frühzeitig, wenn Sie sich mit dem Gedanken tragen, eine Kapitalabfindung zu wählen. Erkundigen Sie sich ggf. auch bei der zuständigen Versicherungsgesellschaft.