Zuweilen erleben potenzielle Erben bei der Testamentseröffnung eine – aus Ihrer Sicht – böse Überraschung: Der Erblasser hat sein Vermögen nicht ihnen, sondern einer gemeinnützigen Einrichtung vermacht. Den Erben bleibt dann – wenn überhaupt – nur die Geltendmachung des Pflichtteils. Doch einige wagen den Gang vors Gericht und zweifeln das Testament bzw. die Testierfähigkeit des Erblassers an. Je nach Höhe des Nachlasses können die Anwalts- und Gerichtskosten erheblich sein und werden in vielen Fällen zudem vergeblich aufgewendet, das heißt der Prozess geht verloren. Die Finanzverwaltung ihrerseits will dermaßen vergeblich aufgewendete Prozesskosten nicht einmal bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer für das „restliche“ Erbe berücksichtigen.
Wenigstens erhalten die betroffenen Steuerzahler nun in diesem Punkt Unterstützung durch den Bundesfinanzhof. Dieser hat entschieden, dass Kosten eines Zivilprozesses, in dem ein Erbe vermeintliche Nachlassansprüche geltend gemacht hat, bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer mindernd zu berücksichtigen sind (BFH-Urteil vom 6.11.2019, II R 29/16). Der Sachverhalt: Der 1999 verstorbene Erblasser hatte seine Porzellansammlung 1995 einem städtischen Museum geschenkt. Die Erben forderten nach seinem Tod von der Stadt die Rückgabe der Sammlung mit der Begründung, dass der Erblasser bei der Schenkung nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei. Die Klage und die eingelegten Rechtsmittel waren jedoch erfolglos und die Erben blieben auf den Prozesskosten sitzen. Sie machten daher die Kosten bei der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit steuermindernd geltend. Weil dies vom Finanzamt jedoch abgelehnt wurde, zogen die Erben erneut vor Gericht. Und diesmal mit Erfolg.
Die Begründung der BFH-Richter: Als Nachlassverbindlichkeiten sind unter anderem die Kosten abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Regelung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Zu diesen Ausgaben können auch Kosten zählen, die der Erbe durch die gerichtliche Geltendmachung von (vermeintlichen) zum Nachlass gehörenden Ansprüchen des Erblassers zu tragen hat. Die Kosten müssen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen und dürfen nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses anfallen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG).
§ 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG steht dem Abzug der Prozesskosten als Nachlassverbindlichkeiten nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift sind Schulden und Lasten nicht abzugsfähig, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegen. Vergebliche Prozesskosten für die Rückholung der Porzellansammlung des Erblassers sind damit grundsätzlich abzugsfähig; sie müssen aber im Einzelnen nachgewiesen werden. Das Gleiche gilt für die Kosten der anwaltlichen Vertretung.
Praxistipp:
Der Abzug von Prozesskosten bei der Erbschaftsteuer ist aber ausgeschlossen, wenn diese dem Erben entstanden sind, weil er Schadensersatz wegen verspäteter Räumung und Herausgabe einer geerbten Wohnung vom Mieter verlangt hat. Bei diesen Ausgaben handelt es sich um nicht abzugsfähige Kosten der Nachlassverwertung. Hierauf weist der BFH in seinem aktuellen Urteil gesondert hin. Um Missverständnisse zu vermeiden: In dem Verfahren ging es um die Erbschaftsteuer. Im Bereich der Einkommensteuer ist die Rechtslage eine andere: Kosten eines gerichtlichen Prozesses werden nur dann als außergewöhnliche Belastung steuerlich berücksichtigt, wenn Steuerpflichtige ohne den Prozess Gefahr liefen, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.