Die Vererbung des selbstgenutzten Familienheims an das eigene Kind ist von der Erbschaftsteuer befreit. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist allerdings, dass der Erblasser das Familienheim vor dem Erbfall selbst bewohnt hat und der Erbe die Immobilie nach der Erbschaft zehn Jahre lang selbst zu Wohnzwecken nutzt. Die Vergünstigung greift, soweit die Wohnfläche der geerbten Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Im Übrigen ist eine weitere wichtige Voraussetzung zu beachten: Die hinzuerworbene Wohnung muss unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt sein (BFH-Urteil vom 6.5.2021, II R 46/19). „Unverzüglich“ bedeutet im Grundsatz, dass der Erbe bereits kurz nach dem Erbfall in das Familienheim einziehen muss, wenn er nicht bereits darin wohnt. Üblicherweise gilt hier eine Frist von maximal sechs Monaten. Eine zeitliche Verzögerung des Einzugs aufgrund von Renovierungsarbeiten ist dem Erwerber nicht anzulasten, wenn er die Arbeiten unverzüglich in Auftrag gibt, die beauftragten Handwerker sie aber aus Gründen, die der Erwerber nicht zu vertreten hat, zum Beispiel wegen einer hohen Auftragslage, nicht rechtzeitig ausführen können – so der Bundesfinanzhof in dem o.g. Urteil vom 6.5.2021.
Bald wird sich der BFH erneut mit der Frage befassen müssen, ob ein „verspäteter“ Einzug ins Familienheim noch als unschädlich zu werten ist. Es geht um folgenden Fall: Die Mutter hatte eine Wohnung selbst genutzt, musste aber im Jahre 2016 in ein Pflegeheim umziehen. Um die Kosten für ihre Unterbringung in der Pflegeeinrichtung zu decken, hatte sie ihre bisherige Wohnung vermietet, den Mietvertrag aber auf vier Jahre befristet. Im Jahre 2018 ist die Mutter gestorben; der Mietvertrag lief im Todeszeitpunkt folglich noch zwei Jahre. Die Tochter beabsichtigte, in die Wohnung unmittelbar nach dem Ende des Zeitmietvertrages einzuziehen und beantragte daher die erbschaftsteuerliche Befreiung für das Familienheim. Tatsächlich ist der Einzug im Jahre 2020 erfolgt. Das Finanzamt gewährte die Steuerbefreiung nicht, doch das Finanzgericht München ist dem entgegengetreten (Urteil vom 26.10.2022, 4 K 2183/21). Der Mietvertrag sei ursächlich dafür gewesen, dass die Tochter die Wohnung erst nach Ablauf der Mietzeit beziehen und damit erst ab diesem Zeitpunkt zu eigenen Wohnzwecken nutzen konnte. Den Grund für die spätere Aufnahme der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken habe die Tochter daher nicht zu vertreten. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände habe die Klägerin durch ihren Einzug in 2020 in ausreichendem Maße belegt, dass sie die Wohnung nach dem Tod ihrer Mutter unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt hat. Die Erblasserin ihrerseits hatte ein berechtigtes Interesse an der Vermietung der Wohnung, weil sie mit den Mieteinnahmen die Kosten der Unterbringung mitfinanzieren wollte.
Praxistipp:
Das FG hat die Revision zugelassen, die auch bereits beim BFH unter dem Az. II R 48/22 vorliegt. Bis auf Weiteres bleibt in entsprechenden Fällen also eine große Unsicherheit.