Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, die neben dem Grundlohn gezahlt werden, sind bis zu bestimmten Höchstgrenzen steuer- und sozialversicherungsfrei. Zuschläge für Nachtarbeit dürfen beispielsweise 25 Prozent des Grundlohns nicht übersteigen (§ 3b EStG). Der Begriff des Grundlohns kann aber durchaus umstritten sein, so etwa bei Bereitschaftsdiensten. Diese werden üblicherweise wesentlich geringer vergütet als die „normale“ Tätigkeit. Wenn nun aber ein Bereitschaftsdienst in den Nachtstunden geleistet wird und dafür – neben dem niedrigen Bereitschaftslohn – ein Nachtzuschlag gezahlt wird, so könnte man auf den Gedanken kommen, dass dieser Zuschlag nur 25 Prozent des Bereitschaftslohns und nicht 25 Prozent des normalen Lohns betragen darf, um steuerfrei zu bleiben.
Erfreulicherweise hat das Niedersächsische Finanzgericht diesen Gedanken eines Finanzamtes verworfen und wie folgt entschieden: Ist ein Bereitschaftsdienst am Arbeitsplatz abzuleisten, bemisst sich der Grundlohn nach dem regulären, vertraglich vereinbarten – auf eine Stunde umgerechneten – Arbeitslohn und nicht nach dem geringeren Stundenlohn, der sich für die vergütete Bereitschaftsdienstzeit ergibt (Urteil vom 15.12.2021, 14 K 268/18). Der Sachverhalt: Die Klägerin betreibt eine Förderschule mit angeschlossenem Internat für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen. Die in Wohngruppen lebenden Kinder und Jugendlichen wurden von dem Betreuungspersonal ganztägig betreut. Die Betreuerinnen und Betreuer verbrachten auch die Nacht in den jeweiligen Wohngruppen. Für die Ableistung des Bereitschaftsdienstes erhielten die Mitarbeiter ein Viertel des regulären Gehalts und in den Nachtstunden je Stunde einen Zuschlag in Höhe von 15 Prozent des auf eine Stunde umgerechneten individuellen Tabellenentgelts. Das Finanzamt wollte diese Zuschläge teilweise versteuern. Aufgrund der geringeren Beeinträchtigung beim Bereitschaftsdienst im Vergleich zum regulären Dienst sei die Grenze nicht auf der Grundlage des regulären Stundenlohns zu berechnen, sondern lediglich auf der Grundlage der Bereitschaftsentschädigung, die nur 25 Prozent der eigentlichen Vergütung betrage. Doch dem sind die Finanzrichter entgegengetreten. Die grundsätzliche Verpflichtung, sich während der Bereitschaftszeiten am Arbeitsort aufzuhalten, werde durch den monatlich gezahlten Lohn mit abgegolten, sodass die Zuschläge nicht auf der Grundlage des für den Bereitschaftsdienst gezahlten Entgelts, sondern gemäß der gesetzlichen Definition des Grundlohns in § 3b Abs. 2 EStG vom regulären Monatslohn zu berechnen sind.
Praxistipp:
Die Richter haben die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, die auch bereits unter dem Az. VI R 1/22 vorliegt.