Um die Interessen eines minderjährigen Kindes in einem gerichtlichen Verfahren zu wahren, wird vom Gericht ein Verfahrensbeistand bestellt, sofern bedeutsame Angelegenheiten für das weitere Leben des Kindes geregelt werden müssen (§ 158 FamFG). Im Jahre 2019 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Leistungen eines Verfahrensbeistands umsatzsteuerfrei sind. Zwar könne die Umsatzsteuerfreiheit nicht aus dem deutschen Recht (§ 4 Nr. 25 UStG) hergeleitet werden, doch sie ergäbe sich aus dem europäischen Recht. Darauf könnten sich Betroffene berufen (BFH-Urteil vom 17.7.2019, V R 27/17). Mit dem Jahressteuergesetz 2020 wurde in § 4 Nr. 25 Satz 3 UStG ein neuer Buchstabe d angefügt, so dass die Leistungen der Verfahrensbeistände jetzt auch nach dem deutschem Umsatzsteuerrecht befreit sind. Nunmehr hat das Bundesfinanzministerium zu den Auswirkungen der Gesetzesänderung Stellung genommen (BMF-Schreiben vom 28.4.2023, III C 3 – S 7183/19/10003 :002). Danach gilt:
Nach § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. d UStG sind Leistungen von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie von Einrichtungen erbracht werden, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 174 oder 191 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Wahrnehmung der Interessen minderjähriger Kinder in Kindschaftssachen, in Abstammungssachen oder in Adoptionssachen bestellt worden sind. Unter die Steuerbefreiung fallen sowohl die von freiberuflich tätigen Rechtsanwälten, Pädagogen sowie Kinder- und Jugendpsychologen erbrachten Beistandsleistungen als auch die Leistungen von Mitarbeitern von Betreuungsvereinen, die vom Familiengericht zum Verfahrensbeistand bestellt wurden. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen. Bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der Mehrwertsteuer unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern.
Praxistipp:
Die Grundsätze des aktuellen BMF-Schreibens sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2020 erbracht wurden bzw. erbracht werden. Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 17.7.2019 sind in allen offenen Fällen für Umsätze anzuwenden, die bis zum 31.12.2020 erbracht wurden. Für Umsätze, die vor dem 1.1.2021 erbracht wurden, wird es nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von den Grundsätzen im genannten BFH-Urteil als umsatzsteuerpflichtig behandelt hat.