Wenn im Rahmen einer Erbschaft Anteile an Kapitalgesellschaften auf den Erben übergehen, erwirbt dieser mitunter bestehende Ausschüttungsansprüche mit. Folglich vereinnahmt erst der Erbe die entsprechenden Erträge und muss diese versteuern. Ausnahmen von diesem „Zuflussprinzip“ bestehen bei beherrschenden Gesellschaftern. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Ansprüche auf die künftigen Erträge bereits die Bemessungsgrundlage für die Erbschaft-steuer erhöht haben, so dass diese einmal der Erbschaft- und dann auch noch der Abgeltungsteuer (Kapitalertragsteuer) unterliegen.
Wie das Finanzgericht Münster nun zum zweiten Mal entschieden hat, ist diese Doppelbelastung mit Erbschaft- und Abgeltungsteuer zulässig. Es hat geurteilt, dass die Abgeltungsteuer, die auf den Ausschüttungsanspruch gegen eine GmbH entfällt, nicht als Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuer abzuziehen ist (FG Münster, Urteil vom 2.11.2023, 3 K 2755/22 Erb).
Der Kläger erwarb im Wege eines Vermächtnisses von seinem verstorbenen Vater einen Anteil an einer GmbH in Höhe von 12,5 Prozent des Stammkapitals. Vor dem Tod des Vaters hatte die Gesellschafterversammlung eine Ausschüttung beschlossen, die in Höhe von 187.500 Euro auf den Vater entfiel und nach dessen Tod unter Einbehalt von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag an den Kläger ausbezahlt wurde. Das Finanzamt setzte im Erbschaftsteuerbescheid die Forderung mit dem Nennwert von 187.500 Euro an. Demgegenüber begehrte der Kläger, die Kapitalertragsteuer und den Solidaritätszuschlag als Nachlassverbindlichkeit in Abzug zu bringen. Die Steuer sei zwar im Zeitpunkt des Todes formal noch nicht entstanden, ihre Entstehung sei aber hinreichend sicher gewesen. Doch das Finanzamt und auch das Finanzgericht beurteilen dies anders.
Begründung: Der Ausschüttungsanspruch gegenüber der GmbH sei mit dem Nennwert anzusetzen. Eine Bewertung unterhalb des Nennwerts im Hinblick auf die Kapitalertragsteuer komme nicht in Betracht, da es sich hierbei um eine besondere Form der Erhebung der Einkommensteuer handele und nicht um eine wertmindernde Eigenschaft. Ein Abzug der Steuer als Nachlassverbindlichkeit komme ebenfalls nicht in Betracht. Insbesondere handele es sich nicht um vom Erblasser herrührende Schulden. Zwar sei die wirtschaftliche Ursache für die Belastung der Ausschüttung mit Kapitalertragsteuer bereits mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung und damit vor dem Tod des Vaters gesetzt worden. Der für die Abzugsfähigkeit maßgebliche Umstand, nämlich die Verwirklichung des einkommensteuerlichen Tatbestands, sei jedoch erst mit dem Zufluss der Ausschüttung beim Kläger erfolgt. Da der Vater kein beherrschender Gesellschafter gewesen sei, sei noch kein Zufluss im Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses anzunehmen. Schließlich sei es auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass ein Sachverhalt kumulativ der Erbschaftsteuer und der Einkommensteuer unterliegt, da es um unterschiedliche Tatbestände gehe. Der Gesetzgeber habe bei der Wahl des Steuergegenstandes einen weiten Gestaltungsspielraum (Quelle: FG Münster, NL Dez. 2023).
Bereits zuvor hatte das FG Münster entschieden, dass auch keine einkommensteuerliche Ermäßigung in Betracht kommt. Nach § 35b EStG werden Einkünfte, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen zugleich der Erbschaftsteuer unterlegen haben, zwar steuermindernd berücksichtigt, wenn auch nur mit einem bestimmten Prozentsatz. Allerdings sei die Steuerermäßigung nach § 35b EStG auf Kapitaleinkünfte, die dem Abgeltungssteuersatz unterliegen, nicht anwendbar (FG Münster, Urteil vom 17.2.2021, 7 K 3409/20 AO).