Die Vererbung des selbstgenutzten Familienheims an das eigene Kind ist von der Erbschaftsteuer befreit. Das gilt auch für eine Doppelhaushälfte oder eine Nachbarwohnung, die mit der bereits genutzten eigenen Wohnung des Kindes verbunden wird. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist allerdings, dass der Erblasser das Familienheim vor dem Erbfall selbst bewohnt hat und der Erbe die Immobilie nach der Erbschaft zehn Jahre lang selbst zu Wohnzwecken nutzt. Die Vergünstigung greift, soweit die Wohnfläche der geerbten Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Im Übrigen ist eine weitere wichtige Voraussetzung zu beachten: Die hinzuerworbene Wohnung muss unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt sein. Dies hatte der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 6.5.2021 (II R 46/19) entschieden, die Sache zur abschließenden Entscheidung aber an die Vorinstanz, das Finanzgericht Münster, zurückverwiesen. Das Finanzgericht ist nun zu dem Ergebnis gelangt, dass die Steuerbefreiung im Streitfall trotz einer fast drei Jahre andauernden Umbauphase zu gewähren war (FG Münster, Urteil vom 30.6.2022, 3 K 3184/17 E).
Dem Urteil lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Der Kläger bewohnt mit seiner Familie seit langem eine Doppelhaushälfte. Die andere Hälfte nutzte – ebenfalls seit vielen Jahren – sein Vater. Nach dem Tod des Vaters verband der Kläger, der Alleinerbe war, die Doppelhaushälften baulich und katastermäßig zu einer Einheit. Nach Abschluss der umfangreichen, teilweise in Eigenleistung erbrachten Sanierungs- und Renovierungsarbeiten nutzt er die so verbundenen Doppelhaushälften als eine Wohnung. Der Kläger begehrte für den Erwerb der Doppelhaushälfte des Erblassers die Steuerbefreiung für ein Familienheim. Diese ist ihm nun gewährt worden.
Im Einzelnen gilt: Eine „unverzügliche“ Bestimmung zur Selbstnutzung bedeutet im Grundsatz, dass der Erbe spätestens sechs Monate nach dem Erbfall in die Wohnung einziehen muss. Doch diese Regel gilt nicht uneingeschränkt. Auch ein späterer Einzug kann in besonders gelagerten Ausnahmefällen zum steuerfreien Erwerb des Familienheims führen, etwa im Fall einer dringend notwendigen Renovierung. Der Erbe muss dann aber glaubhaft darlegen, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat. Es obliegt ihm, die Renovierungsarbeiten und die Beseitigung etwaiger Mängel zeitlich so zu fördern, dass es nicht zu Verzögerungen kommt, die nach der Verkehrsanschauung als unangemessen anzusehen sind. Ein unverhältnismäßiger Aufwand zur zeitlichen Beschleunigung ist jedoch nicht erforderlich. Vielmehr reicht es aus, wenn der Erwerber alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreift.
Praxistipp:
Eine zeitliche Verzögerung des Einzugs aufgrund von Renovierungsarbeiten ist dem Erwerber nicht anzulasten, wenn er die Arbeiten unverzüglich in Auftrag gibt, die beauftragten Handwerker sie aber aus Gründen, die der Erwerber nicht zu vertreten hat, zum Beispiel wegen einer hohen Auftragslage, nicht rechtzeitig ausführen können. Ein weiteres Indiz für die unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung ist die zeitnahe Räumung bzw. Entrümpelung der erworbenen Wohnung. Verzögert sich der Einzug hingegen deshalb, weil zunächst ein gravierender Mangel beseitigt werden muss, ist eine spätere Entrümpelung der Wohnung unschädlich, wenn sie nicht ihrerseits zu einem verzögerten Einzug führt. Auf jeden Fall sollten Erben Beweisvorsorge betreiben und eventuelle Verzögerungen bei der Bauausführung sorgfältig dokumentieren.