Für ein Kind zwischen dem 18. und dem 25. Lebensjahr besteht Anspruch auf Kindergeld, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird. Wenn ein Kind während der Ausbildung erkrankt und seine Ausbildung unterbrechen muss, führt dies zwar noch nicht unmittelbar zum Verlust des Kindergeldes. Etwas anderes gilt aber, wenn die Erkrankung länger als sechs Monate dauert. Dann ist im Einzelfall zu prüfen, ob mit einer Fortsetzung der Ausbildung noch zu rechnen ist oder nicht. Ist nicht mehr von einer Fortführung der Ausbildung auszugehen, wird das Kindergeld nicht mehr länger gewährt. Kürzlich hat der Bundesfinanzhof erneut zum Thema „Kindergeld für ein langfristig erkranktes Kind“ Stellung genommen. Danach gilt: Eine Kindergeldgewährung wegen Berufsausbildung ist selbst dann nicht möglich, wenn das Ausbildungsverhältnis zwar fortbesteht, Ausbildungsmaßnahmen wegen einer langfristigen Erkrankung des Kindes aber unterbleiben (BFH-Urteil vom 15.12.2021, III R 43/20). Es ging um folgenden Sachverhalt: Ein junger Erwachsener erlitt während seiner Ausbildung einen schweren Unfall. Nach dem Krankenhausaufenthalt durchlief er verschiedene Reha-Maßnahmen, von denen die letzte 17 Monate nach dem Unfall begann. Das Finanzgericht sprach zwar Kindergeld für die ersten acht Monate nach dem Unfall zu, weil das Ausbildungsverhältnis fortbestanden habe und der Wille, die Ausbildung baldmöglichst fortzusetzen, in mehrfacher Hinsicht belegt sei. Der BFH ist jedoch anderer Auffassung: Ein Kind befinde sich nur dann in einer Berufsausbildung im steuerlichen Sinne, wenn es sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Eine Unterbrechung der Ausbildung, zum Beispiel wegen einer Erkrankung, ist unschädlich, wenn diese vorübergehend ist. Wird die Erkrankung aber mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauern, kann das Kind nicht mehr wegen seiner Ausbildung berücksichtigt werden.
Die Vorinstanz muss nun klären, ob die sechs Monate übersteigende Erkrankungsdauer bereits in den ersten Monaten nach dem Unfall mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet wurde. Falls zunächst aber doch eine schnellere Genesung möglich erschien, könnte der Kindergeldanspruch für diesen Zeitraum noch wegen des fortbestehenden Ausbildungsverhältnisses begründet sein.
Praxistipp:
Im Falle einer Erkrankung eines Kindes, das an sich ausbildungswillig ist, ist das voraussichtliche Ende der Erkrankung durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachzuweisen. Zudem sollte sehr frühzeitig eine schriftliche Erklärung an die Familienkasse erfolgen, dass der Wille des Kindes besteht, sich unmittelbar nach Wegfall der Hinderungsgründe um eine Berufsausbildung zu bemühen, sie zu beginnen oder fortzusetzen. Im Übrigen sollte geprüft werden, ob eventuell eine Behinderung des Kindes aufgrund der langen und schwerwiegenden Krankheit festzustellen ist. Gegebenenfalls käme dann doch eine Fortzahlung des Kindergeldes infrage.