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Fahrten zur Arbeit: Verkehrsgünstigere anstelle der kürzesten Straßenverbindung

Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind mit der Entfernungspauschale als Werbungskosten oder Betriebsausgaben absetzbar. Die Pauschale beträgt für die ersten 20 Entfernungskilometer je 30 Cent; ab dem
21. Entfernungskilometer beträgt sie 38 Cent. Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG).

Eine von der kürzesten Straßenverbindung abweichende Strecke ist offensichtlich verkehrsgünstiger, wenn der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte – trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen – in der Regel schneller und pünktlicher erreicht. Die kürzeste Straßenverbindung ist auch dann maßgeblich, wenn diese mautpflichtig ist oder mit dem vom Arbeitnehmer tatsächlich verwendeten Verkehrsmittel straßenverkehrsrechtlich nicht benutzt werden darf (BMF-Schreiben vom 18.11.2021, BStBl 2021 I S. 2315). Die Fahrzeitersparnis sollte mindestens zehn Prozent der für die kürzeste Verbindung benötigten Fahrzeit betragen. Eine Strecke kann – außer der Zeitersparnis – auch dann offensichtlich verkehrsgünstiger sein als die kürzeste Verbindung, wenn die längere Route bessere Straßen, weniger Ampeln, weniger Ortsdurchfahrten, weniger Verkehr usw. enthält. Deshalb kann eine offensichtlich verkehrsgünstigere Straßenverbindung auch vorliegen, wenn nur eine relativ geringe oder gar keine Zeitersparnis zu erwarten ist, sich die Strecke jedoch aufgrund anderer Umstände als verkehrsgünstiger erweist als die kürzeste Verbindung (BFH-Urteil vom 16.11.2011, BStBl 2012 II S. 520; BFH-Urteil vom 16.11.2011, BStBl 2012 II S. 470).

Kürzlich hat das Niedersächsische Finanzgericht bestätigt, dass die längere Strecke regelmäßig verkehrsgünstiger sein muss als die kürzere Strecke. Dass die Umwegstrecke bei extremen Stauverhältnissen auch einmal verkehrsgünstiger und schneller sein kann als die kürzere Verbindung, reicht nicht aus. Entscheidend ist vielmehr, dass die erste Tätigkeitsstätte trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen durch Benutzung der Umwegstrecke in der Regel schneller und pünktlicher erreicht wird (Niedersächsisches FG, Urteil vom 3.4.2024, 9 K 117/21).

Der Kläger gab in seiner Steuererklärung an, für die Fahrt zur Arbeit die längere Strecke zu nutzen, da sie seinen Angaben nach verkehrsgünstiger sei (102 Km statt 75 Km). Staubedingt ergäbe sich während der Berufszeiten auf der kürzeren Strecke häufig ein erheblicher Zeitverlust. Die kürzere Strecke sei zudem auch unfall- und baustellenträchtiger. Das Finanzamt akzeptierte dennoch nur die kürzere Strecke; die Klage blieb erfolglos. Das Gericht konnte nicht feststellen, dass die vom Kläger benutzte längere Strecke (hier über die A 7 / A 39) verkehrsgünstiger ist als die kürzeste Strecke (hier über die A2 / A 391). Die kürzere Strecke über die A 2 / A 391 sei nach einer Google-Maps-Recherche des Gerichts bei üblicher Verkehrslage sogar um 11 Minuten schneller.

Praxistipp:
Auch bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel richtet sich die Entfernungsbestimmung nach der Straßenverbindung. Allerdings kann die verkehrsgünstigere – aber längere – Strecke angesetzt werden, wenn die Linienführung über die verkehrsgünstigere Strecke verläuft (BMF-Schreiben vom 18.11.2021, BStBl 2021 I S. 2315 Rz. 12).