Gesellschafter einer GmbH nehmen an den Gewinnausschüttungen grundsätzlich im Verhältnis ihres Anteils am Stammkapital teil. Doch dies ist nicht immer gewünscht, das heißt, zuweilen bietet es sich an, einem Gesellschafter einen geringeren Betrag auszuschütten als es seinem Anteil am Stammkapital entsprechen würde, während die übrigen Gesellschafter ihren „normalen“ Anteil erhalten. Dies wird als inkongruente oder disquotale Gewinnausschüttung bezeichnet.
Bundesfinanzhof und Finanzverwaltung akzeptieren diese Art von Gewinnausschüttungen, allerdings fordert die Finanzverwaltung für eine steuerliche Anerkennung, dass eine vom Anteil am Grund- oder Stammkapital abweichende Gewinnverteilung zivilrechtlich wirksam bestimmt ist. Dies sei bei der GmbH der Fall, wenn der Gesellschaftsvertrag einen anderen Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile erlaubt. Oder: Die Satzung enthält anstelle eines konkreten Verteilungsmaßstabs eine Klausel, nach der alljährlich mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter oder einstimmig über eine von der satzungsmäßigen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann, und der Beschluss ist mit der in der Satzung bestimmten Mehrheit gefasst worden.
Nun musste sich das Finanzgericht Münster mit der Frage befassen, wann eine inkongruente Gewinnausschüttung tatsächlich die zivilrechtlichen Anforderungen erfüllt. Im zugrundeliegenden Sachverhalt sah der Gesellschaftsvertrag der GmbH nämlich offenbar keine Klausel vor, die eine inkongruente Gewinnausschüttung explizit erlaubt hätte. Doch nach Ansicht der Finanzrichter soll es darauf nicht ankommen (Urteil vom 6.5.2020, 9 K 3359/18 E, AO).
Der Umstand, dass der Gesellschaftsvertrag der GmbH einen von § 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG abweichenden Gewinnverteilungsschlüssel oder eine Öffnungsklausel nicht vorsieht, lasse die zivilrechtliche Wirksamkeit eines unter Zustimmung aller Gesellschafter zustande gekommenen Beschlusses über die abweichende Gewinnverteilung nicht entfallen. Gesellschaftsrechtlich seien die Gesellschafter frei darin, einander Gewinnanteile zu überlassen. Entgegen der Auffassung des Finanzamts stelle ein solcher von der Satzung abweichender Gewinnverteilungsbeschluss auch keine Satzungsänderung dar, die zu ihrer Wirksamkeit notariell beurkundet und in das Handelsregister eingetragen werden müsste.
Praxistipp:
Die Finanzrichter haben die Revision zugelassen, so dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Ungeachtet dessen sollten GmbH-Gesellschafter prüfen, ob ihre Satzung eine inkongruente Gewinnausschüttung zulässt und – sofern gewünscht – gegebenenfalls eine Satzungsänderung veranlassen.