Von der Grundsteuerreform sind circa 36 Millionen wirtschaftliche Einheiten, also bebaute und unbebaute Grundstücke sowie Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, in ganz Deutschland betroffen. Um diese Einheiten innerhalb einer angemessenen Frist bewerten zu können, arbeitet der Gesetzgeber mit Pauschalierungen und Typisierungen – so auch beim so genannten Bundesmodell, das die meisten Bundesländer anwenden. Das Gesetz sieht keine Möglichkeit vor, individuell per Gutachten nachgewiesene Grundsteuerwerte anzusetzen. Dies hat der Bundesfinanzhof bereits kritisiert. Im Rahmen zweier Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat er entschieden, dass Steuerpflichtige im Einzelfall und unter bestimmten Bedingungen doch die Möglichkeit haben müssen, einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachzuweisen. Mit verfassungsrechtlichen Zweifeln bezüglich der zugrundeliegenden Bewertungsregeln hat sich der BFH allerdings nicht befasst (BFH-Beschlüsse vom 27.5.2024,
II B 78/23 (AdV) und II B 79/23 (AdV)).
Nun haben sich die betroffenen Bundesländer darauf verständigt, den Nachweis eines niedrigeren Grundsteuerwerts zu akzeptieren, diesen Nachweis allerdings an gewisse Voraussetzungen geknüpft (Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlass vom 24.6.2024, S 3017). Es gilt unter anderem: Der Ansatz des nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Werts, also des Verkehrswertes, ist gesetzlich zwar nicht vorgesehen. Es kann aber das Übermaßverbot verletzt sein, wenn sich der pauschalierte Grundsteuerwert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist. Ein für die gesamte wirtschaftliche Einheit nachgewiesener niedrigerer gemeiner Wert ist anzusetzen, wenn der pauschaliert ermittelte Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert um mindestens 40 Prozent übersteigt.
Den Steuerpflichtigen trifft die Nachweislast für einen niedrigeren gemeinen Wert und nicht eine bloße Darlegungslast. Als Nachweis kann regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs oder von Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind, dienen. Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann darüber hinaus der Kaufpreis dienen, wenn das entsprechende Grundstück innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt veräußert worden ist. Der Kaufvertrag muss aber „im gewöhnlichen Geschäftsverkehr“, üblicherweise also unter fremden Dritten, abgeschlossen worden sein.
Ab sofort ist Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung von Bescheiden über die Feststellung des Grundsteuerwerts zu entsprechen, wenn und soweit schlüssig dargelegt wird, dass der Grundsteuerwert den Verkehrswert um mindestens 40 Prozent übersteigt. Bei der Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist die Vorlage eines Verkehrswertgutachtens noch nicht erforderlich. Substantiierten Angaben des Steuerpflichtigen zur Höhe des Verkehrswerts ist zu folgen. Es bestehen keine Bedenken, als Ergebnis der summarischen Prüfung vorbehaltlich anderweitiger Erkenntnisse
50 Prozent des Grundsteuerwerts von der Vollziehung auszusetzen. Die Aussetzung der Vollziehung soll angemessen befristet und der Steuerpflichtige zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts (z.B. durch Vorlage eines Gutachtens) innerhalb dieser Frist aufgefordert werden.
Praxistipp:
Das Bundesmodell wenden an: Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen und das Saarland.