Mitte 2019 wurde die Kindergeldberechtigung für EU-Bürger neu geregelt, die nach Deutschland zugezogen sind. Sind diese nicht erwerbstätig, werden sie für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts in Deutschland vom Kindergeldbezug ausgeschlossen. Konkret regelt dies § 62 Abs. 1a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Kürzlich hat das Finanzgericht Bremen aber Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des dreimonatigen Kindergeldausschlusses geäußert. Mit Vorlagebeschluss vom 20.8.2020 (2 K 99/20) hat es ein entsprechendes Verfahren ausgesetzt und bittet den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Klärung.
Im zugrundeliegenden Sachverhalt ging es um den Antrag einer bulgarischen Staatsangehörigen auf Gewährung von Kindergeld für die Monate August bis Oktober 2019. Dieser wurde abgelehnt, da sie in diesem Zeitraum nicht erwerbstätig war. Die Bremer Finanzrichter halten diese Ablehnung für bedenklich. Sie begründen dies wie folgt: Das deutsche Kindergeld ist eine Leistung der sozialen Sicherheit, die unter die Verordnung 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit fällt. Diese verpflichtet die Mitgliedstaaten, Unionsbürger und eigene Staatsangehörige gleich zu behandeln. § 62 Abs. 1a Satz 1 EStG schließt die Kindergeldberechtigung jedoch nur für Unionsbürger, nicht aber für deutsche Staatsangehörige aus. Der deutsche Gesetzgeber geht davon aus, dass die Ungleichbehandlung von Unionsbürgern und deutschen Staatsangehörigen gerechtfertigt ist, da das Kindergeld bei nicht erwerbstätigen Angehörigen anderer Mitgliedstaaten wie eine Sozialleistung wirkt.
Sollte der Ausschluss nicht erwerbstätiger Angehöriger anderer Mitgliedstaaten nicht gerechtfertigt sein, wäre § 62 Abs. 1a Satz 1 EStG wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anwendbar. In diesem Fall stünde der Klägerin das begehrte Kindergeld zu. Da die Entscheidung in dem Gerichtsverfahren vor dem FG Bremen von der Auslegung des Unionsrechts abhängt, hat es das Verfahren ausgesetzt und die Auslegungsfrage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.