Eltern erhalten das Kindergeld für ein Kind mit Behinderung über dessen 25. Lebensjahr hinaus, wenn dieses we-gen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung ist, dass die Behinderung bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Doch wann liegt eine Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor? Der Bundesfinanzhof hat hierzu in einem aktuellen Urteil sehr ausführlich Stellung genommen (BFH-Urteil vom 27.10.2021, III R 19/19).
Reichen die Einkünfte, Bezüge und sonstigen Einnahmen des Kindes nicht aus, um den Grundbedarf und den behinderungsbedingten Mehrbedarf zu decken, sind es zumeist die Eltern, die das Kind finanziell unterstützen. Und aufgrund dieser „Minderung ihrer Leistungsfähigkeit“ steht ihnen das Kindergeld oder – sofern von den steuerlichen Auswirkungen her günstiger – der Kinderfreibetrag bei der Einkommensteuer zu.
Zur Bemessung des Grundbedarfs ist an den steuerlichen Grundfreibetrag anzuknüpfen, der im Jahre 2022 – entsprechend einer voraussichtlichen Gesetzesänderung – 10.347 Euro beträgt. Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Diese können einzeln nachgewiesen werden. Erbringt der Steuerpflichtige keinen Einzelnachweis, kann der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag als Anhalt für den Mehrbedarf dienen. Ein behinderungsbedingter Betreuungsbedarf kann zum Beispiel auch dadurch nachgewiesen werden, dass das Kind Eingliederungshilfe erhält, welche gegebenenfalls um einen Verpflegungsanteil zu kürzen ist.
Zu den finanziellen Mitteln des volljährigen Kindes mit Behinderung gehören seine Einkünfte und Bezüge. Als Einnahmen sind zudem laufende oder einmalige Geldzuwendungen von dritter Seite anzusehen, soweit sie nicht der Kapitalanlage dienen, sondern den Unterhaltsbedarf des Kindes decken und damit die Eltern bei ihren Unterhaltsleistungen entlasten sollen. Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten an das Kind selbst sind nicht als Einnahmen zu berücksichtigen. Sozialleistungen, mit deren Hilfe das Kind seinen existenziellen Grundbedarf oder behinderungsbedingten Mehrbedarf decken kann, sind dagegen zu berücksichtigen, soweit das Kind nicht vom Sozialleistungsträger zu einem Kostenbeitrag herangezogen wird. Auch die Eingliederungshilfe ist als Einnahme zu erfassen, wobei diese – wie oben aufgeführt – auch beim behinderungsbedingten Mehraufwand anzusetzen ist. Allein aus dem Umstand, dass der Sozialleistungsträger den Kindergeldberechtigten auf Zahlung eines Unterhaltsbeitrags für das Kind in Anspruch nimmt, ist nicht abzuleiten, dass dieses zum Selbstunterhalt außerstande ist.