Begibt sich ein Kind für ein Studium längere Zeit ins Ausland, entfällt der Kindergeldanspruch der Eltern grundsätzlich nicht. Sofern das Kind aber außerhalb des EU- und EWR-Raums studiert, bleibt der Anspruch auf Kindergeld nur erhalten, wenn es seinen Inlandswohnsitz beibehält. Kürzlich hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein Kind seinen Wohnsitz im Elternhaus nicht aufgibt, wenn das Auslandsstudium zunächst nur für ein Jahr geplant ist. Der Kindergeldanspruch bleibt also erhalten. Bei einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt behält ein Kind seinen inländischen Wohnsitz in der elterlichen Wohnung hingegen regelmäßig nur dann bei, wenn es sich während der ausbildungsfreien Zeiten überwiegend im Inland aufhält und die Inlandsaufenthalte Rückschlüsse auf ein zwischenzeitliches Wohnen zulassen (BFH-Urteil vom 21.6.2023, III R 11/21).
Der Sachverhalt: Die Tochter der Klägerin wollte zunächst nur für ein Jahr in Australien studieren, beginnend ab Juli 2014, hat sich dann aber kurzfristig entschlossen, ihren Studienaufenthalt im Ausland um zwei weitere Jahre zu verlängern. Während des zweiten Studienjahres (Juli 2015 bis Juni 2016) hielt sich die Tochter – mitsamt eines Krankenaufenthalts – über 60 Tage im Inland auf. Im dritten Studienjahr war die Tochter nur kurzzeitig in Deutschland. Die Familienkasse wollte bereits von Beginn des Auslandsaufenthalts an kein Kindergeld zahlen. Das Finanzgericht hatte der Klägerin das Kindergeld immerhin für das erste Studienjahr zugesprochen (Juli 2014 bis Juni 2015). Der Bundesfinanzhof hingegen erkennt aufgrund der Besuche der Tochter sogar einen Kindergeldanspruch bis zum Dezember 2016 an. Erst ab Januar 2017 sei nicht mehr erkennbar, dass ein inländischer Wohnsitz vorgelegen habe.
Die Begründung: Bei Auslandsaufenthalten zu Ausbildungs-, Schul- oder Studienzwecken, die bis zu einem Jahr dauern, führt das Fehlen unterjähriger Inlandsaufenthalte des Kindes regelmäßig für sich allein noch nicht zu einer Aufgabe des Wohnsitzes. Im Erstjahr bleibt der Kindergeldanspruch also grundsätzlich erhalten. Bei einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt behält ein Kind seinen inländischen Wohnsitz in der elterlichen Wohnung regelmäßig nur dann bei, wenn es sich während der ausbildungsfreien Zeiten überwiegend im Inland aufhält und die Inlandsaufenthalte Rückschlüsse auf ein zwischenzeitliches Wohnen zulassen. Das ist der Fall, wenn das Kind während seines Inlandsaufenthalts die (elterliche) Wohnung nutzt; kurze Unterbrechungen – zum Beispiel zu Besuchszwecken oder wegen eines Krankenhausaufenthalts – sind unschädlich.
War ein Auslandsaufenthalt zunächst nur auf ein Jahr angelegt, entschließt sich das Kind jedoch, den Auslandsaufenthalt zu verlängern, sind die Kriterien, die für einen mehrjährigen Auslandsaufenthalt gelten, (erst) ab dem Zeitpunkt anzuwenden, in dem sich das Kind zu einer Verlängerung entschließt. Das Fehlen unterjähriger Inlandsaufenthalte bis dahin hat nicht die Aufgabe des Wohnsitzes zur Folge. Ab dem Entschluss, länger als ein Jahr zu Ausbildungszwecken im Ausland zu bleiben, behält das Kind seinen Inlandswohnsitz in der Regel nur dann bei, wenn es sich im Folgenden regelmäßig mehr als die Hälfte der ausbildungsfreien Zeit im Inland aufhält und dabei – von kurzen Unterbrechungen abgesehen – die inländische Wohnung nutzt. Dies gilt auch dann, wenn sich das Kind von Jahr zu Jahr entschließt, seinen Auslandsaufenthalt um jeweils ein Jahr zu verlängern.
Praxistipp:
Für die Beibehaltung eines Inlandswohnsitzes im Hause der Eltern bei mehrjährigen Auslandsaufenthalten reichen nur kurze, üblicherweise durch die Eltern-Kind-Beziehung begründete Besuche regelmäßig nicht aus. Fehlende finanzielle Mittel für Heimreisen des Kindes können zudem nicht die fehlenden wesentlichen Inlandsaufenthalte in den ausbildungsfreien Zeiten kompensieren (BFH-Urteil vom 25.9.2014, III R 10/14). Eltern und Kinder sollten im Übrigen Beweisvorsorge treffen und zum Beispiel Flugtickets aufbewahren, die belegen, dass sich das Kind tatsächlich längere Zeit im Inland aufgehalten hat. Der guten Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass es beim Kindergeld Besonderheiten im Zusammenhang mit den Ländern gibt, mit denen ein Abkommen über Soziale Sicherheit besteht (z.B. der Türkei).
Praxistipp:
Bei der Frage, ob die ausbildungsfreie Zeit überwiegend in Deutschland verbracht wurde, kommt es auf eine rein objektive Betrachtung an. Wenn Reisen aufgrund der coronabedingten Reiserestriktionen nicht möglich waren, kann das für den Kindergeldanspruch schädlich sein. So lautet zumindest die Auffassung des Finanzgerichts Bremen im Urteil vom 7.3.2023 (2 K 27/21 (1)).