Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind bis zu 1.250 Euro als Werbungskosten absetzbar, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit „kein anderer Arbeitsplatz“ zur Verfügung steht. Dies ist der Fall, wenn Arbeitnehmer den „anderen Arbeitsplatz“ im Betrieb oder in der Behörde nicht in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen können.
Falls das häusliche Arbeitszimmer gar den „Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung“ darstellt, sind die Kosten in voller Höhe als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig. Nun sorgt die moderne Arbeitswelt immer wieder für Fälle, in denen die Frage, ob ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, streitig sein kann. Das ist etwa bei den so genannten Pool-Arbeitsplätzen oder dem „Desk-Sharing“ der Fall. Hier verfügen die Arbeitnehmer nicht mehr über ein eigenes oder angestammtes Büro. Vielmehr wird ihnen morgens jeweils ein anderer Platz zugewiesen oder sie müssen sich jeden Tag aufs Neue einen Platz suchen, an dem sie ihre Tätigkeit verrichten.
Der Bundesfinanzhof hat zum Beispiel entschieden, dass einem Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, wenn für acht Arbeitnehmer nur drei Arbeitsplätze vorhanden sind, weil üblicherweise mehrere Mitarbeiter im Außendienst tätig sind und es daher nur einiger Arbeitsplätze in der Behörde oder im Betrieb bedarf. Folge: Unterhält einer der betroffenen Mitarbeiter ein häusliches Arbeitszimmer, darf er seine Kosten bis zu 1.250 Euro steuerlich geltend machen (BFH-Urteil vom 26.2.2014, VI R 37/13). Nun hat das Finanzgericht Hessen aber entschieden, dass dem Arbeitnehmer im Betrieb seines Arbeitgebers dann ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, wenn zwar ein „Desk Sharing“ praktiziert wird, es aber genügend Arbeitsplätze gibt (Urteil vom 30.7.2020, 3 K 1220/19).
Der Sachverhalt: Der Kläger war als IT-Projektleiter beschäftigt. In seiner Einkommensteuererklärung machte er
1.250 Euro für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend. Zur Begründung berief sich der Kläger auf ein Konzept seines Arbeitgebers. Darin ist das Desk Sharing Prinzip verankert, wonach „aufgrund des bedarfsorientierten Angebots an Arbeitsplätzen eine feste Zuordnung einzelner Arbeitsplätze zu bestimmten Mitarbeitern üblicherweise nicht stattfindet; was voraussetzt, dass Mitarbeiter Arbeitsplätze in der Regel teilen müssen.” Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen nicht an. Die Richter des Finanzgerichts schlossen sich dem an.
Begründung: Ein „anderer Arbeitsplatz” ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, sofern er zu Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. So kann auch ein Raum, den sich der Steuerpflichtige mit weiteren Personen teilt, ein anderer Arbeitsplatz in diesem Sinne sein. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitsplatz in einem Großraumbüro dem Steuerpflichtigen nicht individuell zugeordnet ist. Entsprechendes gilt für einen Pool-Arbeitsplatz. Eine jederzeitige Zugriffsmöglichkeit auf den anderen Arbeitsplatz ist nicht zwingend erforderlich. Ein Pool-Arbeitsplatz kann daher als ein anderer Arbeitsplatz i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b) Satz 2 EStG zur Verfügung stehen, wenn bei diesem nach den tatsächlichen Gegebenheiten insbesondere durch eine ausreichende Anzahl an Pool-Arbeitsplätzen gegebenenfalls ergänzt durch arbeitgeberseitig organisierte, dienstliche Nutzungseinteilungen gewährleistet ist, dass der Arbeitnehmer seine beruflichen Tätigkeiten in dem konkret erforderlichen Umfang dort erledigen kann.
Praxistipp:
Es steht auch dann „kein anderer Arbeitsplatz“ zur Verfügung, wenn Arbeitnehmer während der Corona-Krise aus Gründen des Gesundheitsschutzes von zuhause aus arbeiten und ihren Arbeitsplatz nicht aufzusuchen (BT-Drucksache 19/19321 vom 19.5.2020). Arbeitnehmer sollten dies aber nach Möglichkeit durch entsprechende Unterlagen dokumentieren können.