Lebensversicherungen, deren Vertragsabschluss vor dem Jahr 2005 liegt, waren – und sind – steuerlich privilegierter als Versicherungsverträge jüngeren Datums. Vereinfacht ausgedrückt ist die Versicherungsleistung von Altverträgen im Erlebensfall komplett steuerfrei, wenn die Vertragslaufzeit mindestens zwölf Jahre beträgt. Dies gilt nicht nur für Kapitallebensversicherungen, sondern auch für Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht. Aber: Wird bei Fälligkeit das Kapitalwahlrecht nicht ausgeübt, sondern eine Rentenzahlung gewünscht, so sind diese Renten – nach Auffassung der Finanzverwaltung – mit dem so genannten Ertragsanteil steuerpflichtig. Die Höhe des Ertragsanteils richtet sich nach dem Lebensalter des Berechtigten zu Beginn der Rentenzahlung.
Im Jahre 2021 hatte der Bundesfinanzhof die Besteuerung des Ertragsanteils jedoch verworfen und zugunsten der Versicherten entschieden, dass bei einer steuerbegünstigten privaten Rentenversicherung mit Verzicht auf das Kapitalwahlrecht die Rentenzahlungen grundsätzlich nicht der Besteuerung unterliegen (BFH-Urteil vom 1.7.2021, VIII R 4/18). Eine Einschränkung gab es allerdings: Die Gesamtbezüge bei Ausübung des Rentenwahlrechts sind nicht der Besteuerung zu unterwerfen, soweit die Summe der ausgezahlten Rentenbeträge das in der Ansparzeit angesammelte Kapitalguthaben einschließlich der Überschussanteile nicht übersteigt. Das bedeutet: Steuerzahler, die recht alt werden und daher lange von der Rentenzahlung profitieren, müssen ab einem bestimmten Zeitpunkt eventuell doch Steuern auf die Rentenzahlungen leisten.
Mit dem Jahressteuergesetz 2024 hat der Gesetzgeber beschlossen, dass die Auffassung der Finanzverwaltung in allen noch offenen Fällen doch gilt. Das positive Urteil der obersten Steuerrichter wird damit rückwirkend für nicht anwendbar erklärt (§ 20 Abs. 1 Nr. 6, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a i.V.m. § 52 Abs. 28 Satz 5 EStG). In der Gesetzesbegründung heißt es: „Mit der gesetzlichen Änderung wird die Ertragsanteilsbesteuerung für Renten aus vor dem
1. Januar 2005 abgeschlossenen Rentenversicherungsverträgen mit Kapitalwahlrecht beibehalten. Systemgerecht unterliegen damit Rentenzahlungen aus Rentenversicherungsverträgen auch weiterhin einheitlich der Ertragsanteilsbesteuerung, unabhängig davon, ob der Versicherungsvertrag ein Kapitalwahlrecht vorgesehen hatte, das der Steuerpflichtige nicht ausgeübt hat.“ (BT-Drucks. 20/13419 vom 16.10.2024).
Praxistipp:
Ob die rückwirkende Gesetzesänderung verfassungskonform ist, ist umstritten. Früher oder später werden sich bestimmt die Gerichte mit der Verfassungsmäßigkeit befassen.