Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so verlangt der Fiskus für jeden angefangenen Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag von 1 Prozent des rückständigen Steuerbetrags (abgerundet auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag). Säumniszuschläge haben mehrere Funktionen: Zum einen sind sie ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung der festgesetzten Steuer bewegen soll. Zum anderen gleichen sie den Zinsnachteil der Finanzverwaltung aus oder schöpfen – je nach Sichtweise – den Zinsvorteil des Steuerschuldners ab. Durch Säumniszuschläge werden schließlich auch die Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die der Finanzverwaltung dadurch entstehen, dass Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß zahlen.
Die Höhe des Säumniszuschlags von 1 Prozent pro Monat ist allerdings verfassungsrechtlich umstritten, und zwar nicht erst seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verzinsung von Steuernachforderungen und
-erstattungen. Die Verfassungshüter haben entschieden, dass die Steuerverzinsung („Vollverzinsung“) von 0,5 Prozent pro Monat seit dem 1.1.2014 verfassungswidrig ist, auch wenn der Zinssatz erst ab dem 1.1.2019 korrigiert werden muss (BVerfG-Beschluss vom 8.7.2021, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17).
Nunmehr hat das Finanzgericht Münster ernste verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe des Säumniszuschlags geäußert und deshalb in einem Fall die Aussetzung der Vollziehung gewährt, das heißt die Vollziehung des entsprechenden Abrechnungsbescheides in voller Höhe aufgehoben (FG Münster vom 16.12.2021, 12 V 2684/21 AO). Es ging um Säumniszuschläge, die im Jahre 2019 im Zusammenhang mit einer Grunderwerbsteuerforderung erhoben wurden.
Zuvor hat auch der Bundesfinanzhof erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe der Säumniszuschläge geäußert und die Aussetzung der Vollziehung gewährt. In einem Beschluss vom 26.5.2021 (VII B 13/21 AdV) heißt es: Gegen die Höhe der nach § 240 AO zu entrichtenden Säumniszuschläge bestehen für Jahre ab 2012 jedenfalls insoweit erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, als den Säumniszuschlägen nicht die Funktion eines Druckmittels zukommt, sondern die Funktion einer Gegenleistung oder eines Ausgleichs für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern, mithin also eine zinsähnliche Funktion.
Praxistipp:
Die Entscheidungen sind „nur“ zu Aussetzungsverfahren und – noch – nicht in der Hauptsache ergangen. Allerdings sind bereits zwei Revisionsverfahren beim BFH zu der Thematik anhängig (Az. VII R 55/20 und VII R 19/21). Man darf also gespannt sein, ob der BFH seine Bedenken wiederholt und gegebenenfalls das Bundesverfassungsgericht anrufen wird.