Stellt sich die Tätigkeit einer natürlichen Person nach deren tatsächlichem Gesamtbild als abhängige Beschäftigung dar, ist ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht deshalb ausgeschlossen, weil Verträge nur zwischen dem Auftraggeber und einer Kapitalgesellschaft bestehen, deren alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter die natürliche Person ist – so hat das Bundessozialgericht in drei Urteilen entschieden und damit einem vermeintlichen Modell zur Verhinderung eines Sozialversicherungspflicht die Anerkennung versagt (BSG-Urteile vom 20.7.2023, B 12 BA 1/23 R, B 12 R 15/21 R und B 12 BA 4/22 R).
Exemplarisch soll hier der Fall vorgestellt werden, der dem Verfahren B 12 BA 1/23 R zugrunde lag: Der Kläger ist ausgebildeter Krankenpfleger sowie alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG). Unternehmensgegenstand ist unter anderem die selbstständige Erbringung von Pflegedienstleistungen im ambulanten und stationären Bereich. Für die Tätigkeit als Geschäftsführer der UG erhält der Kläger ein monatliches Bruttogehalt von 500 Euro und eine Tantieme von 15 Prozent des Jahresgewinns. Für konkrete Einsatzzeiträume im Jahr 2017 schloss die UG als „Auftragnehmer“ mit der Trägerin eines Krankenhauses als „Auftraggeber“ Dienstleistungsverträge über die eigenverantwortliche Planung, Durchführung, Dokumentation und Überprüfung von häuslicher/stationärer Kranken-/Altenpflege. Vereinbart war der Einsatz fachlich geeigneter und qualifizierter Personen zu einem Stundenhonorar von 36 Euro, ein außerordentliches Kündigungsrecht der UG bei Verhinderung des eigenen Personals und eine Weisungsfreiheit bei Durchführung der übertragenen Tätigkeiten. Während der vertraglich vereinbarten Einsatzzeiten war der Kläger die einzige ausgebildete Pflegefachkraft der UG. Die Deutsche Rentenversicherung stellte die Sozialversicherungspflicht des Klägers fest. Das BSG stimmt dem im Grundsatz zu, auch wenn es die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen hat.
Begründung: Die jeweiligen konkreten tatsächlichen Umstände einer Tätigkeit entscheiden nach einer Gesamtabwägung über das Vorliegen einer selbstständigen oder abhängigen Beschäftigung. Daran ändert der Umstand nichts, dass Verträge nur zwischen dem Auftraggeber und der Kapitalgesellschaft geschlossen wurden. Die Abgrenzung richtet sich vielmehr nach dem Geschäftsinhalt, der sich aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien und der praktischen Durchführung des Vertrages ergibt, nicht aber nach der von den Parteien gewählten Bezeichnung oder gewünschten Rechtsfolge. Das Landessozialgericht muss nun Feststellungen über die Höhe des erzielten (regelmäßigen) Jahresarbeitsentgelts nachholen.