Der Verkauf des Eigenheims bleibt selbst dann von der Einkommensteuer verschont, wenn An- und Verkauf innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist liegen. Voraussetzung dafür ist, dass die Immobilie im Zeitraum zwischen Anschaffung bzw. Fertigstellung und Veräußerung ununterbrochen zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde oder im Jahr des Verkaufs und in den beiden Vorjahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Grundsätzlich gilt auch die kostenlose Überlassung der Wohnung an ein Kind noch als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, so dass ein Verkauf der Immobilie im Prinzip unter eine der beiden Ausnahmeregelungen fällt. Aber: Dies gilt nur, solange das Kind in einer Berufsausbildung ist und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, die Eltern also kindergeldberechtigt sind. Anders ausgedrückt: Überschreitet das Kind während der Überlassung der Wohnung die Altersgrenze (oder beendet bereits zuvor seine Ausbildung) und wird die Immobilie dann verkauft, wird diese im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Der Veräußerungsgewinn kann bei einem Wohnungsverkauf folglich zu versteuern sein.
Bereits im Jahre 2016 hat das Finanzgericht Baden-Württemberg wie folgt entschieden: Ist das Kind, dem die Wohnung überlassen wird, älter als 25 Jahre, wird es bei den Eltern nicht mehr steuerlich berücksichtigt, sodass hinsichtlich der überlassenen Wohnung keine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ mehr vorliegt. Dies gilt auch dann, wenn die zivilrechtliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind über das 25. Lebensjahr hinaus weiter besteht (Urteil vom 4.4.2016, 8 K 2166/14). Der Gewinn aus dem Wohnungsverkauf musste folglich versteuert werden.
Im Jahre 2021 hat das Niedersächsische Finanzgericht im gleichen Sinne geurteilt und dabei ergänzend entschieden, dass die Steuerbefreiung auch dann entfällt, wenn eine Wohnung sowohl von einem Kind bewohnt wird, das sein Studium beendet hat als auch von einem Kind, das sich noch in der Ausbildung befindet (Urteil vom 16.6.2021,
9 K 16/20). Der Bundesfinanzhof hat dieses Urteil nun bestätigt.
Der Sachverhalt: Die Mutter besaß eine Wohnung am Studienort der Kinder. Die Wohnung hatte sie im Jahre 2010 für 130.000 Euro erworben. Ende 2016 hat sie die Immobilie für 350.000 Euro wieder verkauft. Die Wohnung wurde ab Erwerb bis zur Veräußerung durch zwei Söhne (Zwillinge) im Rahmen ihres Studiums genutzt. Der dritte Sohn nutzte die Wohnung zumindest an einigen Wochenenden. Eine Fremdvermietung hatte nicht stattgefunden. Die Zwillinge waren im Zeitpunkt des Wohnungsverkaufs bereits 27 Jahre alt, das dritte Kind hat sein 25. Lebensjahr erst nach dem Verkauf vollendet. Das Finanzamt hat den Veräußerungsgewinn besteuert, weil für die Zwillinge kein Anspruch auf Kindergeld mehr bestanden hatte. Daher sei die Wohnung nicht mehr eigengenutzt worden.
Die Klage der Mutter blieb ohne Erfolg. Begründung: Die fortdauernde Mitbenutzung der Wohnung durch Kinder, die steuerlich nicht mehr zu berücksichtigen sind, ist schädlich. Das Bestehen einer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern reiche allein nicht aus, um eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken annehmen zu können. Hinzukommen müsse die steuerliche Berücksichtigung der Kinder nach § 32 EStG, also die Kindergeldberechtigung. Die gleichzeitige Überlassung der Wohnung an ein Kind, das zu berücksichtigen ist, hier also an den dritten Sohn, kann die „schädliche“ Nutzung nicht aufheben.
Praxistipp:
Vor dem Verkauf einer Immobilie sollte stets sorgfältig geprüft werden, ob ein „Spekulationsgewinn“ anfallen könnte. Bitte sprechen Sie uns frühzeitig vor einem geplanten Verkauf an.