Werden bestimmte Kapitalanlagen im Laufe eines Zinszahlungszeitraums veräußert, zahlt der Erwerber in der Regel die so genannten Stückzinsen mit. Der Verkäufer muss diese als Teil des Veräußerungsgewinns versteuern – entweder mit dem Abgeltungssteuersatz von 25 Prozent oder auf Antrag mit dem persönlichen Steuersatz. Zwar sind die Stückzinsen bei dem derzeitigen Zinsniveau weniger relevant. Doch einige Anleger haben in der Vergangenheit zum Beispiel Anteile an „thesaurierenden Geldmarktfonds“ gehalten, die noch hohe (Stück-)Zinsen aufwiesen. Nun hat manch Steuerzahler Fondsanteile veräußert, die er selbst geerbt hat und in denen noch Stückzinsen enthalten waren. Hier gilt: Die Stückzinsen gehören beim Verkauf der Anteile zum Veräußerungsgewinn und unterliegen der Abgeltungssteuer. Die bereits „verdienten“ Stückzinsen haben im Zeitpunkt der Erbschaft den Wert der Kapitalanlage beeinflusst, das heißt den Wert erhöht. Sie unterlagen damit der Erbschaftsteuer. Die Stückzinsen werden mithin doppelt belastet, nämlich zunächst mit Erbschaftsteuer und dann noch einmal mit der Abgeltungsteuer, die letztlich nichts anderes ist als eine pauschal berechnete Einkommensteuer. Die Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer ist auch rechtens, wie das Finanzgericht Münster entschieden hat (Urteil vom 17.2.2021, 7 K 3409/20 AO).
Der Sachverhalt: Der Kläger erbte im Jahr 2013 Investmentanteile an einem thesaurierenden Geldmarktfonds. Diese Anteile wurden mit einem Wert von ca. 120.000 Euro bei der Erbschaftsteuer angesetzt und mit einem Steuersatz von 30 Prozent belegt. Im Jahr 2017 veräußerte der Erbe die Wertpapiere. Nach der Steuerbescheinigung der Sparkasse waren im Veräußerungserlös Stückzinsen in Höhe von ca. 35.000 Euro enthalten, die mit dem Abgeltungssteuersatz von 25 Prozent besteuert wurden. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger geltend, dass die Stückzinsen auf einen Zeitraum vor dem Erbfall entfielen, so dass die Einkommensteuer nach § 35b EStG zu ermäßigen sei. Diese Vorschrift soll – nach einer relativ komplizierten Berechnungsformel – die Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer wenigstens etwas mindern. Doch Finanzamt und Finanzgericht ließen eine solche Ermäßigung nicht zu.
Begründung: Mit § 35b EStG habe der Gesetzgeber zwar die Doppelbelastung mit beiden Steuern abmildern wollen, habe dies aber an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Diese Abmilderung habe er bewusst auf die tarifliche Einkommensteuer beschränkt und die Abgeltungsteuer eben außen vor gelassen.
Praxistipp:
Betroffene sollten prüfen (lassen), ob es sinnvoll ist, die Versteuerung der Kapitalerträge zum individuellen Steuersatz zu beantragen. In diesem Fall werden die Kapitalerträge im Rahmen der Steuerveranlagung erfasst. Bitte informieren Sie uns rechtzeitig, wenn auch bei Ihnen eine steuerliche Doppelbelastung droht.