Wer Rechnungen mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer ausstellt, muss die Steuer an das Finanzamt abführen. So lautet ein eiserner Grundsatz. Selbst wenn die Umsatzsteuer irrtümlich ausgewiesen wurde, schuldet der Unternehmer diese. Doch gilt dies auch bei einer Abrechnung per Gutschrift? Die Antwort: Es kommt darauf an. Der Bundesfinanzhof hat zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden, dass eine Gutschrift, die nicht über eine Leistung eines Unternehmers ausgestellt ist, einer Rechnung nicht gleichsteht und keine Steuerschuld (nach § 14c Abs. 2 UStG) begründen kann (BFH-Urteil vom 27.11.2019, V R 23/19, V R 62/17). Das Bundesfinanzministerium hat nun die Anwendung des Urteils bejaht, nimmt allerdings eine wichtige Differenzierung vor (BMF-Schreiben vom 19.8.2021, III C 2 -S 7283/19/10001 :002):
Abrechnung an Nichtunternehmer: Nach der o.g. BFH-Entscheidung steht ein als Gutschrift verwendetes Abrechnungsdokument an einen Nichtunternehmer einer Rechnung nicht gleich. Dieses Abrechnungsdokument begründet daher keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG. Ein Vorsteuerabzug aus diesem Abrechnungsdokument ist nicht möglich.
Abrechnung an Unternehmer über eine nicht erbrachte Leistung: Wird hingegen eine Gutschrift zwischen zwei Unternehmern über eine nicht erbrachte Leistung ausgestellt, steht dieses Abrechnungsdokument einer Rechnung gleich und kann eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG begründen. Das o.g. BFH-Urteil ist auf diese Fälle nicht anwendbar, da es nicht an der vom BFH als ausschlaggebend angesehenen Unternehmerstellung des Gutschriftempfängers mangelt. Ein Vorsteuerabzug aus einem solchen Abrechnungsdokument ist nicht möglich.
Durch einen wirksamen Widerspruch des Gutschriftempfängers gegen eine ihm erteilte Gutschrift liegt ab dem Besteuerungszeitraum des wirksamen Widerspruchs kein Rechnungsdokument mehr vor. Dem Gutschriftaussteller liegt somit ab diesem Zeitpunkt keine Rechnung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes mehr vor, so dass kein Vorsteuerabzug mehr möglich ist. Allerdings führt ein wirksamer Widerspruch allein gegen eine Gutschrift nicht zur Beseitigung der Steuergefährdung nach § 14c Abs. 2 UStG. Auch in diesem Fall schuldet der Gutschrift-empfänger die ausgewiesene Steuer weiterhin nach § 14c Abs. 2 UStG, bis die Steuergefährdung beseitigt worden ist.
Praxistipp:
Das BMF teilt die Haltung der Rechtsprechung, sieht in der „falschen“ Gutschrifterstellung an einen Unternehmer aber weiterhin einen Fall des § 14c Abs. 2 UStG. Der insoweit geschuldete Steuerbetrag kann (nur) berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen. Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.