Ob Leistungen von Bildungseinrichtungen und selbstständigen Lehrern umsatzsteuerfrei sind, ist oftmals streitbefangen. Das deutsche Umsatzsteuerrecht hat für die Steuerfreiheit enge Grenzen gezogen, während das EU-Recht zuweilen großzügiger ist. Der Streit richtet sich zum einen um die Frage, ob die Leistungen überhaupt dem Grunde nach befreit sein können. Zudem geht es um die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung. In dem zweiten Punkt könnte bald eine Lockerung eintreten, denn die EU-Kommission ist der Auffassung, dass Deutschland insoweit überbordende Anforderungen an die Steuerpflichtigen stellt. Die EU-Kommission führt diesbezüglich in ihrer Pressemitteilung vom 7.2.2024 aus:
Nach der Mehrwertsteuerrichtlinie sind die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht von der Mehrwertsteuer zu befreien. Die Mitgliedstaaten dürfen nur weitere Bedingungen stellen, um eine korrekte und einfache Anwendung dieser Befreiung zu gewährleisten und Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch zu verhindern. Dies muss so erfolgen, dass Steuerpflichtige, die ein Recht auf eine Mehrwertsteuerbefreiung haben, diese auch wirksam in Anspruch nehmen können. In Deutschland müssen Privatlehrer aber eine Bescheinigung vorlegen, um in den Genuss der Mehrwertsteuerbefreiung zu kommen. Aus dieser von der zuständigen Landesbehörde auszustellenden Bescheinigung muss hervorgehen, dass die Unterrichtsleistungen auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereiten.
Dieses Erfordernis steht nach Ansicht der EU-Kommission nicht im Einklang mit dem EU-Recht in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof. Somit verstößt Deutschland nach Auffassung der Kommission gegen seine Verpflichtungen aus der Mehrwertsteuerrichtlinie. Daher hat die Kommission beschlossen, eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland zu richten, das nun binnen zwei Monaten reagieren und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen muss. Anderenfalls kann die Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen.
Praxistipp:
Wie das Verfahren ausgehen wird und wann überhaupt mit einer endgültigen Entscheidung der EU-Kommission oder des EuGH zu rechnen ist, ist natürlich offen. Betroffene sollten daher auch bis auf Weiteres versuchen, eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, zumeist der Bezirksregierung, zu erhalten. Gilt der Privatlehrer nicht selbst als Bildungseinrichtung, sondern wird er nur „für“ eine solche tätig, benötigt im Übrigen zunächst die Bildungseinrichtung die entsprechende Bescheinigung und muss dann zusätzlich dem Referenten bestätigen, dass sie eine Bildungseinrichtung ist und die Unterrichtsleistung des Unternehmers im begünstigten Bereich der Einrichtung erfolgt. Wichtig ist, dass der Privatlehrer sehr frühzeitig im Besitz dieser Bescheinigung ist (BFH-Beschluss vom 27.07.2021, V R 39/20). Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass nicht jeder Privatlehrer überhaupt ein Interesse an der Steuerfreiheit hat, denn die Steuerbefreiung für Unterrichtsleistungen würde den Vorsteuerabzug ausschließen.