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Umsatzsteuer: Finanzverwaltung klärt viele Zweifelsfragen zu Gutscheinen

Zum 1. Januar 2019 wurde die Gutschein-Richtlinie der EU in nationales Recht umgesetzt. Seitdem unterscheidet der Gesetzgeber umsatzsteuerlich zwischen so genannten Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen. Nun hat das Bundesfinanzministerium viele Zweifelsfragen zur Behandlung von Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen geklärt (BMF-Schreiben vom 2.11.2020, III C 2-S 7100/19/10001 :002; und vom 4.11.2020, III C 2-S 7030/20/10009 :016).

Was ist überhaupt ein „Gutschein“?

Gutscheine sind solche „Instrumente“, die anstelle einer regulären Geldzahlung als Gegenleistung für einen Kauf oder eine sonstige Leistung verwendet werden können. Gutscheine können körperlicher Art sein (z. B. Papierdokumente oder Plastikkarten) oder in elektronischer Form bestehen. Ein Gutschein kann auch dann vorliegen, wenn sein Wert nicht zur vollständigen Begleichung der Leistung ausreicht und der Gutscheininhaber eine Zuzahlung leisten muss. Keine Gutscheine in diesem Sinne sind zum Beispiel Briefmarken, Fahrscheine, Eintrittskarten für Kinos und Museen. Kann das Zahlungsinstrument jederzeit und voraussetzungslos gegen den ursprünglich gezahlten bzw. den noch nicht verwendeten Betrag zurückgetauscht werden, ist von einer Guthabenkarte im Unterschied zu einer Gutscheinkarte und damit von einem bloßen Zahlungsmittel auszugehen.

Beispiel:
Ein Kunde erwirbt bei einem Kfz-Händler einen „Gutschein“, der ihm die Lieferung eines konkreten, seinen individuellen Wünschen entsprechenden Fahrzeugs zusichert, allerdings gleichzeitig eine Verpflichtung zur Abnahme des Kfz vorsieht. Ein späterer Umtausch, eine Barauszahlung oder eine Übertragung des „Gutscheins“ auf einen anderen Verkäufer bzw. Käufer ist ausgeschlossen. Hier gilt: Es liegt kein Einzweck-Gutschein, sondern eine Anzahlung vor.

Folgen der Unterscheidung zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen

Bei Einzweck-Gutscheinen entsteht die Umsatzsteuer bereits bei Ausgabe des Gutscheins; die spätere Einlösung ist nicht relevant. Folglich bleibt es auch bei dem Steuersatz, der im Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins maßgebend war. Bei Mehrzweck-Gutscheinen, also reinen Wertgutscheinen, steht noch nicht fest, welche Waren oder Dienstleistungen erworben werden. Bei dieser Art von Gutscheinen unterliegt erst die tatsächliche Lieferung bzw. die tatsächliche Ausführung der Leistung der Umsatzsteuer, die Besteuerung wird also erst bei Einlösung des Gutscheins, nicht schon bei dessen Ausgabe durchgeführt. Folglich ist auch der Steuersatz bei Einlösung maßgebend.

Einzweck-Gutscheine

Ein Einzweck-Gutschein ist dadurch gekennzeichnet, dass der Leistungsort und die geschuldete Umsatzsteuer bei dessen Ausgabe im Prinzip feststehen. Für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins ist die Identität des leistenden Unternehmers anzugeben und die Leistung so zu konkretisieren, dass der auf die Leistung entfallende Steuersatz und damit der zutreffende Steuerbetrag mit Sicherheit bestimmt werden können. Zudem muss feststehen, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist und die Leistung für sein Unternehmen bezieht, wenn dies für die Ortsbestimmung erforderlich ist. Der Leistungsgegenstand muss für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins zumindest im Hinblick auf die Gattung des jeweiligen Leistungsgegenstands auf dem Gutschein angegeben sein. Der Gutschein soll vom Aussteller sichtbar als Einzweck-Gutschein gekennzeichnet werden. Ein Einzweck-Gutschein ist auch dann gegeben, wenn ein Unternehmen mit zahlreichen Filialen Gutscheine zur Einlösung gegen alle im Sortiment und in allen deutschen Filialen befindlichen Artikel ausgibt, sofern der Steuerbetrag bestimmt werden kann.

Beispiel:
Der Gutschein einer Parfümeriekette über 20 Euro zum Erwerb eines Parfümartikels ist in einer beliebigen Filiale in Deutschland einlösbar. Wäre der Gutschein auch in Filialen außerhalb Deutschlands einlösbar, würde die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer hingegen noch nicht feststehen, so dass ein Mehrzweck-Gutschein gegeben wäre. Gleiches würde gelten, wenn z.B. ein Kaufhaus einen Gutschein ausgibt, der sowohl in der Hausgeräte- als auch in der Lebensmittelabteilung eingelöst werden kann. Der Steuerbetrag (Steuersatz) steht hier nicht fest mit der Folge, dass ein Mehrzweck-Gutschein vorliegt.

Sollte ein Einzweck-Gutschein vom Gutscheininhaber nicht innerhalb der Gültigkeitsdauer eingelöst werden und somit verfallen, ergeben sich hieraus allein keine weiteren umsatzsteuerlichen Folgen, da die ursprüngliche Leistung bereits bei Übertragung bzw. Ausgabe des Gutscheins als erbracht gilt und demzufolge in diesem Zeitpunkt zu versteuern ist.

Mehrzweck-Gutscheine

Ein Mehrzweck-Gutschein liegt dann vor, wenn zum Zeitpunkt der Übertragung bzw. Ausgabe des Gutscheins der Ort der Leistung und/oder der leistende Unternehmer und/oder der Leistungsgegenstand noch nicht endgültig feststehen und daher die geschuldete Umsatzsteuer nicht bestimmbar ist. Es handelt sich insbesondere auch dann um einen Mehrzweck-Gutschein, wenn sich der Gutschein gegen Leistungen eintauschen lässt, die entweder dem ermäßigten oder dem Regelsteuersatz unterliegen können. In diesen Fällen lässt sich die geschuldete Umsatzsteuer zum Zeitpunkt der Gutscheinübertragung oder Ausgabe noch nicht abschließend bestimmen. Der Gutschein soll vom Aussteller sichtbar als Mehrzweck-Gutschein gekennzeichnet werden.

Sollte ein Mehrzweck-Gutschein vom Gutscheininhaber nicht innerhalb der Gültigkeitsdauer eingelöst werden und somit verfallen, ergeben sich hieraus keine umsatzsteuerlichen Konsequenzen, da bei einem Mehrzweck-Gutschein die tatsächliche Leistungserbringung durch den leistenden Unternehmer erst in dem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Gutschein eingelöst wird. Die Nichteinlösung des Gutscheins hat allerdings Auswirkung auf die Bemessungsgrundlage einer Vermittlungsleistung von Gutscheinportalen. Wird ein Mehrzweck-Gutschein zurückgegeben und erhält der Kunde ausnahmsweise den Gutscheinwert zurückerstattet, so ergeben sich hieraus keine umsatzsteuerlichen Auswirkungen, da lediglich ein Rücktausch von Zahlungsmitteln erfolgt.

Sonderfall Gastronomie

Bei gastronomischen Betrieben gilt bezüglich der Gutscheine, die vom 1.7.2020 bis 30.6.2021 ausgegeben werden: Da der in diesem Zeitraum anzuwendende Steuersatz wegen der unterschiedlichen Besteuerung von Speisen und Getränken nicht eindeutig bestimmbar ist, handelt es sich bei in diesem Zeitraum ausgegebenen Gutscheinen für Restaurations- und Verpflegungsdienstleistungen grundsätzlich um Mehrzweck-Gutscheine. Folge: Die Versteuerung im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung erfolgt zum dann gültigen Steuersatz.

In der Zeit vom 1.7.2020 bis 30.6.2021 ausgegebene Gutscheine für Restaurationsleistungen können nur dann als Einzweck-Gutscheine behandelt werden, wenn die Gutscheine auf den Bezug von Speisen oder den Bezug von Getränken explizit beschränkt werden. Gutscheine für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen einschließlich Getränke gelten erst wieder dann generell als Einzweck-Gutscheine, wenn sie für den Zeitraum ab dem 1.7.2021 ausgestellt werden.

Praxistipp:
Die Anweisung der Finanzverwaltung enthält auch zahlreiche Beispiele zur steuerlichen Einordnung von Gutscheinen in Vertriebsketten und Filialbetrieben. Bitte kontaktieren Sie uns im Zweifelsfall frühzeitig, damit wir die steuerliche Behandlung eines Gutscheins klären können.